Alles bestens mit der Inklusion?

Die Perspektive von Schülerinnen und Schülern auf Inklusion in Hessen

Die "hessenstiftung – familie hat zukunft" hat 2014 die Perspektive von Schülerinnen und Schülern der vierten und der siebten Klasse auf Schule, Familie und Freizeit untersucht. Dabei wurde der Umsetzung der Inklusion besondere Aufmerksamkeit gewidmet. 

Zu diesem Zweck wurden über 1.000 Kinder in unterschiedlichen Schulformen durch "PROSOZ – Institut für Sozialforschung  – PROKIDS" befragt. Die Studie wurde unter anderem vom Sozial- und vom Kultusministerium finanziell unterstützt. Die Ergebnisse wurden sowohl in einem Buch, als auch auf einer Fachtagung im April 2015 der Öffentlichkeit vorgestellt.[1]

Im Rahmen eines Grußwortes auf dieser Tagung wertete Stefan Grüttner als Minister für Soziales und Integration die Ergebnisse der Studie im Wesentlichen als Beleg, dass die Inklusion in Hessen auf einem guten Weg ist. In dem im Buch veröffentlichten Grußwort schreibt er: „So weist das Wohlbefinden von Kindern mit und ohne Behinderungen keine nennenswerte Unterschiede auf. Bei allen hängt das eigene Wohlbefinden stark mit den Beziehungen zu Freunden, Bekannten und vor allem der Familie ab. Viel mehr als der Aspekt der Behinderung wird das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen beispielsweise durch Faktoren wie Alter und Geschlecht, aber auch die Arbeitslosigkeit der Eltern beeinflusst.“

In der Tat gab die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler ein gutes allgemeines Wohlbefinden an. Auch hinsichtlich der konkreten familiären und schulischen Situation, wie auch in Bezug auf Freundschaften, äußerten sie sich zumeist zufrieden. Bei der genaueren Durchsicht der Studie finden sich allerdings sehr wohl auch besorgniserweckende Befunde. So stellt Stefan Grüttner in seinem Grußwort zumindest fest, „dass sich Kinder mit Beeinträchtigung häufiger [wünschen], dass ihre Eltern und Freunde ihnen mehr zutrauen und dass ihre Selbständigkeit gefördert wird.“ Insbesondere aber die aufgezeigten Probleme, die mit dem hessischen Schulsystem zusammenhängen, benennt weder Stefan Grüttner noch Kultusminister Alexander Lorz, der ebenfalls ein Grußwort beisteuert.

So bewertet mit 21 Prozent ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler den Schulweg als zu lang, während der Anteil an Förderschulen mit 40 Prozent doppelt so groß ist. Dies hängt sicher mit den oft langen und aufwendigen Schulwegen in einem separierenden Schulsystem zusammen. Daher beklagen insbesondere Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, dass es ihnen wegen eines zu langen Schulwegs an Freizeit mangelt.

Es wurde auch nach der bevorzugten Schulform gefragt, wobei zwischen Förderschulen, allgemeinen Schulen und inklusiven Unterricht unterschieden wurde. Sowohl an allgemeinen Schulen mit 62 Prozent als auch im inklusiven Unterricht mit 61 Prozent gab eine deutliche Mehrheit an, dass sie in eben dieser Form beschult werden möchten. Hingegen wünscht nur ein Fünftel aller Förderschülerinnen und -schüler den Besuch einer Schule, „auf der nur Kinder mit Behinderung zusammen lernen“.

Vier Fünftel wünschen hingegen, eine allgemeine Schule oder den inklusiven Unterricht zu besuchen! Diese Ergebnisse sollten deutlich machen, dass ein Großteil der Kinder mit Förderbedarf nicht in der von ihnen gewünschten Art und Weise beschult wird.

Die schwarz-grüne Koalition begründet ihr Festhalten an einem separierenden Schulsystem mit dem Prinzip der „Wahlfreiheit“. Die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf selbst würden dem Inklusionsbarometer zufolge jedoch in den allermeisten Fällen eine inklusive Beschulung wählen.


[1] www.hessenstiftung.de