Inklusion in der Lehrer_innenbildung

Fundierte Vorbereitung ist Voraussetzung

Eine gelingende Inklusion an Schulen ist nur vorstellbar, wenn die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Ausbildung systematisch und fundiert auf diese vorbereitet werden. Bislang wird die Ausbildung in Hessen dieser Anforderung jedoch nicht gerecht. Ein grundlegendes Problem ergibt sich daraus, dass das Hessische Lehrerbildungsgesetz (HLbG) den Strukturen des gegliederten Schulsystems folgt und zwischen fünf verschiedenen Lehrämtern unterscheidet: Dem an Grundschulen (L1), dem an Haupt- und Realschulen (L2), dem an Gymnasien (L3), dem an beruflichen Schulen (L4) und dem an Förderschulen (L5). Förderpädagogische Inhalte sind bislang nur im Rahmen der Ausbildung für das Lehramt an Förderschulen fest verankert, obwohl Inklusion zu großen Teilen von Regelschullehrerinnen und -lehrern umgesetzt wird –  insbesondere an Grundschulen, Haupt- und Realschulen sowie Gesamtschulen (für die keine eigenständige Ausbildung vorgesehen ist).

Der Monitor Lehrerbildung, der von mehreren wirtschaftsnahen Stiftungen getragen wird, weist darauf hin, dass bislang Inklusion in Hessen nicht als obligatorischer Bestandteil der Ausbildung vorgesehen ist.[1] In mehreren Bundesländern ist diese hingegen schon gesetzlich in allen Lehramtsausbildungen verankert, so in Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Bayern. In Artikel 2, Absatz 2 des hessischen Lehrerbildungsgesetzes sind zwar diverse Ziele und Inhalte benannt – vom Schulrecht bis zur Haushaltsführung – die Vorbereitung auf Inklusion findet sich dort jedoch nicht: „Die Lehrerbildung vermittelt allen Lehrkräften erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliche, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen. Neben die pädagogische Professionalisierung tritt die zielgerichtete Qualifizierung für solche Aufgaben oder Teilaufgaben der Lehrertätigkeit, die Angelegenheiten der Schulverwaltung und des Schulrechts sowie Aspekte der Haushaltsführung im Schulbereich und den Einsatz von Medientechnologie und Gesundheitsaspekte betreffen. Die Lehrerbildung bereitet die Lehrkräfte auf das Heranführen der Schülerinnen und Schüler an das Berufsleben vor.“

Vor allen Dingen in der ersten Phase der Ausbildung, dem Studium, bleibt in Hessen Inklusion so oft eine Leerstelle. Nur im Vorbereitungsdienst, der so genannten zweiten Phase, sind mit Inklusion zusammenhängende Themen wie die individuelle Förderung in mehreren Modulen vorgesehen. Das Land Hessen bleibt so hinter den bereits vor vier Jahren von der Kultusministerkonferenz (KMK) gesetzten Anforderungen zurück. 2011 hat die KMK in ihrem Beschluss Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen festgestellt: „Ein inklusiver Unterricht setzt beim lehrenden und nicht lehrenden Personal entsprechende Einstellungen, Haltungen und Fähigkeiten voraus bzw. trägt dazu bei, diese zu entwickeln. Dies bezieht sich vor allem auf die Akzeptanz von Vielfalt und die Wahrnehmung von Verschiedenheit als Bereicherung und Herausforderung für eine erfolgreiche individuelle Entwicklung aller im Unterricht und im Schulleben. Dazu gehören didaktisch-methodische, diagnostische Kenntnisse und Fähigkeiten in einem Unterricht, in dem pädagogische und sonderpädagogische Kompetenzen miteinander verbunden sind.“ Nach einer Auflistung vielfältiger konkreter Anforderungen folgt das Versprechen: „Die Länder gewährleisten, dass sich Lehrkräfte aller Schulformen in Aus-, Fort- und Weiterbildungen auf einen inklusiven Unterricht vorbereiten.“[2]

Im März 2015 hat sich die KMK gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) mit ihrer gemeinsamen Empfehlung Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt erneut in diesem Sinne geäußert: „Alle Lehrkräfte sollten so aus-, fort- und weitergebildet werden, dass sie anschlussfähige allgemeinpädagogische und sonderpädagogische Basiskompetenzen für den professionellen Umgang mit Vielfalt in der Schule, vor allem im Bereich der pädagogischen Diagnostik und der speziellen Förder- und Unterstützungsangebote entwickeln können. Diese Kompetenzen erfahren im Studium der Fachdidaktiken und Fachwissenschaften eine Konkretisierung und Vertiefung, und werden in Praxisabschnitten analytisch und handlungsorientiert erprobt und reflektiert. Zudem spielen die Fachdidaktiken für die Entwicklung und Implementierung von Konzepten differenzierenden Unterrichts eine zentrale Rolle.“[3]

Die GEW setzt sich zurzeit intensiv mit den zukünftigen Anforderungen an die Ausbildung auseinander. Zu diesem Zweck hat sie 2014 das „Zukunftsforum Lehrer_innenbildung“ ins Leben gerufen. In diesem Zusammenhang haben Anfang Juni Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter mit Fachleuten und Interessierten im Rahmen einer Fachtagung über die sich aus der Inklusion ergebenden Anforderungen diskutiert.[4] Wenngleich die Vorschläge der KMK von der GEW grundsätzlich begrüßt werden, zeichnen sich in der gewerkschaftlichen Debatte noch deutlich weitergehende Forderungen ab: Diskutiert wird etwa die Ablösung der an Schulformen orientierten Lehrämter durch eine an Stufen orientierte Ausbildung (etwa ein Lehramt für die Primarstufe, eines für die Sekundarstufe I, eines für die Sekundarstufe II). Auch die Rolle der Förderschullehrerinnen und -lehrer in einem inklusiven Schulsystem ist neu zu definieren. Aus Sicht der GEW ist zudem klar, dass Inklusion nicht zum „Nulltarif“ zu haben ist – als Sparvehikel missbraucht kann sie nicht gelingen.


[1] www.monitor-lehrerbildung.de/web/thema/studieninhalte
[2] 
www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2011/2011_10_20-Inklusive-Bildung.pdf
[3] 
www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_03_12-Schule-der-Vielfalt.pdf
[4] www.gew.de/lehrer-innenbildung/