Kelsterbacher Erklärung

GEW Kreisverbände Groß-Gerau und Main-Taunus

Die folgende Erklärung wurde im September 2011, beim 16. Bildungstag der GEW von rund 180 Lehrerinnen und Lehrern aller Schulformen und Schulstufen, sozialpädagogischen Fachkräften und Eltern aus den Landkreisen Groß-Gerau und Main- Taunus mit überwältigender Mehrheit beschlossen. Kinder, Eltern und Schulen brauchen Verlässlichkeit! Inklusion braucht Ressourcen!

Kelsterbacher Erklärung | Kinder, Eltern und Schulen brauchen Verlässlichkeit! Inklusion braucht Ressourcen!

Das Land Hessen ist verpflichtet, die Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention zur inklusiven Bildung umzusetzen. Die bisherigen Schritte der hessischen Landesregierung sind zögerlich und widersprüchlich. Der Entwurf für eine neue Verordnung zur sonderpädagogischen Förderung, die die Grundlagen zur Realisierung der Grundsätze inklusiver Bildung legen soll, enthält schwerwiegende Mängel. Schulen im Bereich des Staatlichen Schulamts für den Kreis Groß-Gerau und den Main-Taunus-Kreis gehören zu den Vorreitern der Integration von Kindern mit Behinderungen. Andere Schulen haben sich in den letzten Jahren auf den Weg gemacht und sind mit der Ausgestaltung des Gemeinsamen Unterrichts (GU) Schritte zur Inklusion gegangen. Sie sehen diese Entwicklung durch die neuen Vorgaben bedroht:

  • Klassen, in denen Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet wurden, hatten aus guten Gründen eine niedrigere Schülerzahl. Diese Klassenobergrenzen sind in der neuen Verordnung nicht mehr vorgesehen.
  • Für eine Schülerin oder einen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf waren 5 bis 10 zusätzliche Lehrerstunden vorgesehen. Diese Zuweisung wurde in den vergangenen Jahren zunehmend unterschritten. Jetzt soll sie noch weiter reduziert werden.
  • Sprachheilklassen und Kleinklassen für Erziehungshilfe werden abgeschafft. Die Kolleginnen und Kollegen sollen überwiegend nur noch beratend tätig sein.
  • Die Vorschriften zur Einrichtung und zur Arbeit von Förderausschüssen sind in hohem Maße bürokratisiert und zeitaufwändig.
  • Förderschullehrer sollen, sofern ihre Stammschule eine allgemeinbildende Schule ist, an Förderschulen versetzt werden. Die Entscheidung über sonderpädagogische Ressourcen und den Personaleinsatz liegt zukünftig vor allem bei den Beratungs- und Förderzentren.

Inklusive Schulen brauchen inklusive Kollegien

Schulen, die sich auf den Weg zur Inklusion machen, müssen sich verändern. Dazu braucht man in der allgemeinen Schule, der Schule für alle Kinder, multiprofessionelle Teams aus  Regelschullehrerinnen und -lehrern, sozialpädagogischen Fachkräften und Lehrkräften mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen im Bereich der Förderdiagnostik und Förderpädagogik. Regelschulen, die sich verändern wollen, brauchen die Fachkompetenzen als Ressource für das Gesamtkollegium dauerhaft und verlässlich in ihrer Schule. Die Absicht des Verordnungsentwurfs, alle Förderschullehrkräfte an den Beratungs- und Förderzentren anzusiedeln und dann für begrenzte Zeiten und begrenzte Zeiträume in den Regelschulen einzusetzen, geht in die falsche Richtung. Dies belegen die Erfahrungen in den Kleinklassen im Kreis Groß-Gerau und in den Grundschulen des Main-Taunus-Kreises, wo Förderschullehrkräfte gemeinsam mit den Lehrkräften der allgemeinen Schule in den Klassen mit den Kindern arbeiten, zum Kollegium gehören, gemeinsam die Schule verändern und ihre Arbeit nicht ausschließlich auf die Beratung konzentrieren.

Die personelle Versorgung inklusiver Schulen muss förderliche und arbeitsfähige Strukturen durch Kontinuität und Verlässlichkeit gewährleisten. Bestehende Standorte an allgemeinen Schulen mit sonderpädagogisch ausgebildeten Lehrkräften müssen erhalten und ausgeweitet werden. Bewährte Konzepte müssen weiterentwickelt werden. Schrittweise ist diese erfolgreiche Arbeitsweise mit Unterstützung der Beratungs- und Förderzentren auf weitere Schulen aller Schulformen und Schulstufen auszuweiten.

Inklusion geht alle an!